Das gemeinsame Basteln darf für viele in der Vorweihnachtszeit nicht fehlen. Weihnachts-Rituale sind immer schön. Umso besser, wenn Du Dich dabei kreativ austoben kannst und noch dazu etwas schaffst, das Du stolz Deinen Gästen zeigen kannst. Wenn Du Dich gerne mit Deinem kleinen Schatz handwerklich betätigen möchtest, aber Ihr noch nicht genau wisst, was Ihr eigentlich basteln wollt, haben wir hier zwei Bastelanleitungen als Inspiration für Euch.
Kann man Kreativität lernen?
Kreativität ist unschlagbar.
Text: Sabine Cole | Fotos: I like Birds
Während Kinder das Puzzle des Lebens Stück für Stück zusammenfügen und zu erstehen lernen, bringen sie uns mit ihren verrückten Fragen und außergewöhnlichen Ideen oft zum Staunen. Sie sind Ausdruck ihrer noch ungehemmten Kreativität, die sich anfangs nur von wenigen Normen und Regeln einengen lässt. Gut so! Damit das so bleibt, sollten die Kinder Räume haben, wo sie sich viele Freiheiten bewahren können. Und die bieten sich ihnen am besten beim Spielen. Also lasst die Kinder spielen und feiert ihre Kreativität!
In nicht allzu ferner Zukunft werden uns durch künstliche Intelligenz betriebene Programme, Roboter und Fahrzeuge eine Menge Arbeit abnehmen. Künstliche Intelligenz, das meint die Fähigkeit von Maschinen, selbstständig zu lernen. Man füttert die Maschinen mit Daten, und heraus kommen lauter schlaue Sachen. Algorithmen, die Steuererklärungen machen, chatten, Röntgenbilder bewerten, Autos fahren oder Versicherungen managen. Womit man Maschinen nicht füttern kann, ist Kreativität: um die Ecke denken, Probleme aus einer neuen Perspektive betrachten, Dinge bauen, von denen niemand gedacht hat, dass man sie brauchen könne, Witze erfinden, andere glücklich machen. Bob McKim, ein Kreativitätsforscher an der Stanford University in den Sechzigern und Siebzigern, ließ seine neuen Studenten stets die gleiche Übung machen. Sie sollten ein Stück Papier nehmen und ihren Tischnachbarn zeichnen. Dazu hatten sie nur dreißig Sekunden Zeit. Dann sollten sie ihr Werk dem Nachbarn, den sie gezeichnet hatten, zeigen. Die Reaktion war immer gleich. Alle legten los, kicherten dann schamerfüllt und entschuldigten sich hinterher, weil ihnen das Ergebnis peinlich war. Sie waren besorgt, der Porträtierte könnte beleidigt sein oder sich über das Ergebnis lustig machen.
Wir fürchten das Urteil unserer Mitmenschen und fühlen uns irgendwie unwohl dabei, unsere Ideen oder schöpferischen Fähigkeiten den Menschen um uns herum zu zeigen. Diese Unsicherheit bringt uns dazu, konservativ in unserem Denken zu werden. Wir machen nur, was wir können, denn wenn wir eine neue, wilde Idee haben, fürchten wir uns davor, sie zu teilen. „Ach, das bringt doch nichts“, „Nee, ist nicht gut geworden“, „Das interessiert doch keinen“. Dann bleibt alles beim Alten. Und die Mutigen ziehen auf der Überholspur vorbei.
Kinder zeigen ihr Meisterwerk freudig jedem.
Wenn man das „Zeichne Deinen Nachbarn“-Experiment mit Kindern macht, sieht die Reaktion ganz anders aus. Sie zeigen ihr Meisterwerk freudig jedem, der es sich ansehen möchte. Sie schämen sich nicht, sie haben Spaß daran, sich auszuprobieren. Studien mit spielenden Kindern haben gezeigt, dass Kinder, die sich sicher fühlen, zum Beispiel in ihrer gewohnten Kindergartengruppe, diejenigen sind, die am unbeschwertesten spielen. Kinder lieben es, sich auszuprobieren. Im Rollenspiel so tun, als ob man ein Löwe wäre, ein unvernünftig hohes schmales Haus aus Klötzen bauen, um zu gucken, wann genau es kippt, in Nudelsoßen patschen: Spielen ist der kreative Umgang mit offenen Möglichkeiten. Jeder kennt das Heiligabend- Phänomen, dass Kinder ihre Geschenke auspacken, links liegen lassen und sich dann mit den Schachteln und Papierhaufen amüsieren.
Die Zeit im Kindergarten ist die Startrampe. Hier erwerben Kinder im freien Spiel, beim Werken und Basteln, beim Rumalbern und Toben einen unschlagbaren Wettbewerbsvorteil: Kreativität. Klar im Vorteil ist, wer dieses Pfund zu Hause, in der Schule und der Ausbildung weiterentwickeln darf. Dann kann die Zukunft kommen.
Eine Pappkiste kann alles sein. Ein Spielzeug hat oft nur eine einzige mögliche Funktion. Wenn Designer oder Entwickler für ein bestimmtes Problem eine Lösung suchen, bauen sie einen Prototyp. Das Werkzeug dafür sieht aus wie der Basteltisch im Kindergarten. Ton, Knete, Kleber, Farben, bunte Tesastreifen, Filzer. Etwas mit den Händen zu tun ist unmittelbar, im wahrsten Sinne des Wortes werden Dinge dadurch begreiflich. Korken, leere Klorolle, Federn, Deoroller, ein Joghurtbecher. Wer mit aufgefundenen Materialien etwas Verrücktes zusammenklebt und dabei seine Gedanken schweifen lässt, kommt vielleicht auf die nächste Jahrhunderterfindung. Die Computermaus war das Ergebnis eines Prototyps, den der Produktdesigner aus einer Schachtel und der Kugel eines Deorollers zusammensetzte. Mal sehen, was als Nächstes kommt. Irgendeinem kreativen Menschen wird sicher etwas einfallen, womit heute keiner rechnet.
Schachtel + Deoroller = Computermaus
In Unternehmen ist es heute üblich, Workshops anzusetzen, damit Mitarbeiter unter Anleitung animiert werden, kreativ zu sein. Das ist toll. Noch toller ist es aber, wenn man den kreativen Muskel von Kindesbeinen an trainiert. Wenn der Kindergarten einfach nie aufhört. Auch Kommunikation erlernen Kinder im kreativen Spiel. Sie versuchen im Rollenspiel, eine Situation nachzustellen, die sie beobachtet haben. In der Interaktion „üben“ sie die Realität und wie man mit ihr umgehen kann. Heute so, morgen anders, übermorgen wieder ganz neu. In der Fantasie kann man ausprobieren, wie es ist, ein Feuerwehrmann zu sein. Oder ein Rennfahrer. Ein Kaufmannsladen lädt zum Handeln, Verhandeln, Sammeln, Ordnen und auch zum Regeldehnen ein. Hier kann man Alltagskommunikation üben.
Wenn ein Unternehmen eine Service-Interaktion mit dem Kunden überprüfen will, um sie gegebenenfalls zu verbessern, dann werden solche Rollenspiele zum Instrumentarium. Ein Gewinner ist, wer sich hier mit Freude ins Geschehen stürzt. Erwachsene, die ihre Kreativität trainiert haben, die einen Zugang zu spielerischem, baulichem Denken haben, die mit den Händen arbeiten können, die keine Angst haben, sich zu blamieren, weil sie es herrlich finden, Charade zu spielen, die laut singen können, haben es einfacher, komplexe Ideen zum Leben zu erwecken, und gelangen direkter an die Punkte, an denen Lösungen zu entdecken sind. Und das in Berufen, die vermeintlich nichts mit Kreativität zu tun haben. Ingenieure, Maschinenbauer, Programmierer, Wissenschaftler, Handwerker brauchen Ideen und ein kreatives Rüstzeug, um den komplexen Aufgabenstellungen der Zukunft entsprechend begegnen zu können.