Fantasie und Kreativität produzieren immer noch die schönsten Werke. Manche davon entstehen im kinderzimmer. Aber wie fördert man Fantasie? Und wofür kann man die später gebrauchen?
Wie Kinder malen lernen? – Malen mit Kindern.
Text: Christian Heinrich | Fotos: Sonja Tobias (Porträt), Bernd Westphal (Still)
Es fördert die Gehirnentwicklung, die Auge-Hand-Koordination, die Konzentrationsfähigkeit: Kaum eine andere Tätigkeit bringt Ihrem Kind auf so vielen Ebenen etwas, wie Stift, Pinsel oder Kreide zu führen. Darum lesen Sie gleich ein Loblied auf das Malen. Und ein paar Tipps, was Sie tun und nicht tun sollten, um Ihr Kind dabei zu fördern.
In diesem Schloss wohnt ein Pony, aber ein ganz besonderes. Es kann fliegen, denn es hat Flügel. Die sind doppelt so groß wie das Pony, und das Schloss ist fast kleiner als das Pony. Aber all das macht nichts. Wenn die kleine Carla mit vor Stolz und Begeisterung leuchtenden Augen über ihr Bild redet, das sie gerade gemalt hat, dann ergibt alles irgendwie Sinn.
Auf den ersten Blick ist Malen nur die Fähigkeit, einen Stift oder Pinsel zu halten und ein paar Striche so zu zeichnen, dass sie ein Bild ergeben. Aber das Malen ist – vor allem für Ihr Kind – mehr. Viel, viel mehr. Durch Malen, sei es mit einem Buntstift oder mit Fingerfarben, mit einem Kugelschreiber oder mit Kreide, verarbeitet Ihr Kind Erlebnisse, Eindrücke, Erfahrungen. Das Malen gibt dem Kind die Möglichkeit, das eigene Weltverständnis sinnlich auszudrücken. Ihr Kind eignet sich neben dem Sprechen eine weitere Ausdrucksform an. Laut dem bekannten Neurowissenschaftler und Hirnforscher Professor Dr. Wolf Singer ist das ein entscheidender Schritt. Er sieht den zentralen Ansatz zur Förderung von Bildungs- und Lernprozessen in nicht sprachlichen Kommunikationsformen, und hier nimmt das Malen eine zentrale Rolle ein.
Der Vorgang des Malens selbst wiederum bewirkt gleich auf mehreren Ebenen Fortschritte. Malen verbessert die Auge-Hand-Koordination und fördert sowohl die Grob- als auch die Feinmotorik. Feinste Striche an der richtigen Stelle entscheiden manchmal zwischen einem gelungenen Bild und einem nur durchschnittlichen Ergebnis. Das merken Kinder schnell, deshalb bemühen sie sich, eine möglichst ruhige Hand bei der Linienführung zu behalten. Und im Gehirn setzt das Malen weitere wichtige Entwicklungsprozesse in Ihrem Kind in Gange: Das kognitive Denken entwickelt sich weiter, die Realitätsbearbeitung und die Fantasie. Außerdem fördert Malen ein Gefühl für Räumlichkeit und Abstraktion, für Formen und Strukturen.
Aber das Malen ist ebenso ein Akt der Selbstständigkeit. Kinder können sich plötzlich auch auf Papier ausdrücken, können sich als selbstwirksam, kreativ und kompetent erleben. Und das ist in vielerlei Hinsicht ein Motor: Der Hirnforscher Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer konnte nachweisen, dass Erfolgserlebnisse von Kindern in kreativen Handlungen – dazu gehört Malen – Glücksgefühle auslösen, die zu weiterem Lernen motivieren und das Gehirn zu vermehrten Aktivitäten veranlassen. Vielleicht das Wichtigste: Malen fördert die Konzentration. Beim Malen sind Kinder höchst fokussiert darauf, das Bild mit entsprechenden Linien entstehen zu lassen. Sie lernen, dass man sich auf eine Sache konzentrieren muss, um Erfolg zu haben.
Die Phasen des Malens.
Uns wird es nie zu bunt.
Und schließlich ist das Malen auch mit dem Erwerb der Schrift und Zeichenkultur eng verknüpft: Es ist eine Vorstufe zum Schreiben. Wer sich mit Gemaltem auseinandersetzt, der erlernt von selbst auch das Prinzip Symbolik: Eine Sonne, das ist ein Kreis, von dem nach außen mehrere Striche abgehen. Formen und Strukturen werden vertrauter. Worauf kommt es nun an, um Ihr Kind ideal beim Malen zu fördern, zu begleiten?
Sie als Eltern können dabei zwar ein wenig unterstützen, aber nicht viel. Es besteht sogar die Gefahr, dass Sie mit einem Zuviel etwas falsch machen. So sollten Sie vor allem geduldig sein. Zeit und Leistungsdruck können die Ent- faltung der Fähigkeiten Ihres Kindes behindern. Und geben Sie keine Anweisungen und Ratschläge, was Ihr Kind zu malen hat. Ihr Kind sollte selbst seiner Fantasie folgen, sollte genau das tun, was gerade Spaß macht. Wenn Ihr Kind beim Malen hingegen ständig korrigiert wird und Vorgaben bekommt, entwickelt sich eine negative Einstellung.
Das einzig richtige Verhalten gegenüber Kindern in der Malentwicklung ist also: Stellen Sie geeignete Malwerkzeuge zur Verfügung, zu denen die Kinder immer freien Zugang haben. Kinder sollte man einfach malen lassen, wenn sie Lust haben. Und wenn das Schloss mit dem fliegenden Pony fertig ist, dann bestaunen und loben Sie das Werk (keine Kritik!). Und sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, lassen Sie sich alles erklären. Das Malen zu fördern ist also recht entspannt. Los geht’s!