Sport ist definitiv gut für Kinder. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass unsere Kinder positiv von körperlicher Betätigung beeinflusst werden. Aber nicht nur physisch entwickeln sich sportliche Kinder besser als unsportliche. Teamsport kann zum Beispiel einen großen Beitrag beim Erwerb sozialer Kompetenzen leisten und das eigene Selbstbewusstsein fördern. Doch wie sieht das bei Babys aus? Und kann man auch zu früh im Leben mit Sport beginnen? Wenn Du Dir diese Fragen auch schon gestellt hast, dann bist Du hier genau richtig.
Mama, bin ich schön?
Protokoll: Roland Rödermund | Fotos: I like Birds (Still) & Marlen Mueller (Porträt)
Melodie Michelberger, Aktivistin, Bloggerin und Mutter, erzählt uns, wie sie gelernt hat, ihren Körper zu lieben – und das auch ihrem kleinen Sohn beizubringen. Ihre so simple wie wichtige Botschaft: Kinder sollen darin bestärkt werden, ihre Einzigartigkeit wertzuschätzen.
„Mir selbst fehlten in meiner Kindheit positive Vorbilder. Alle sahen in mir immer nur das pummelige Kind – mein Gewicht und Aussehen wurden schon damals konstant bewertet. Das kannst Du nicht anziehen, dafür bist Du zu dick! Solche Sätze haben mich mein Leben lang begleitet. Alle Frauen, die mich großgezogen haben, meine Mutter, meine Oma, Tante oder Nachbarinnen, kreisten beim Kaffeeklatsch immer um dieselben Themen: Wer sieht wie aus? Wer macht gerade Diät? Und wer kann am besten verzichten? Ich beschloss irgendwann, nicht mehr diesem Schönheitsideal hinterherzurennen, das mir von Frauenmagazinen, Medien, Werbung und der Gesellschaft vorgesetzt wurde. Man ist nämlich auch schön, wenn man dieser Norm nicht entspricht. Jedes Kind soll lernen, sich und seinen Körper schön zu finden, so wie er ist – und ihn optimal zu versorgen.
„Body Positivity ist mehr als ein Modewort.“
Body Positivity ist viel mehr als ein Modewort. Es ist eine Bewegung, die alle ermuntert, sich gut in ihrer Haut zu fühlen. Dabei ist das Motto: Ich nehme meinen Körper so an, wie er ist! Und ich zeige das auch und nehme mir die Freiheit, ihn zu feiern. Da geht es nicht nur um dick oder dünn, groß oder klein, rothaarig oder blond: Body Positivity hat so viele verschiedene Facetten, wie es Körper gibt. Ich würde das Konzept gern auch Eltern und Kindern vermitteln. Daraus folgt die große Frage: Wie stellt man das an? Wie liebt man seinen ‚anders‘ aussehenden, vielleicht nicht perfekten Körper?
Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Selbstliebe ist ein Prozess. Wir müssen uns als Eltern zusammenreißen mit unseren Selbstzweifeln und Vorurteilen, damit nicht schon Fünfjährige Komplexe entwickeln. Man kann damit anfangen, sich zu betrachten. Auch, wenn man sich anfangs fast gar nicht traut, sich nackt im Spiegel in Ruhe anzuschauen. Aber man lernt so, sich anzunehmen. Zu verstehen: Das ist mein Körper, der ist nicht besser oder schlechter als die anderen.
Was gefällt mir an ihm? Und warum ist es nicht schlimm, dass er nicht so aussieht wie die Körper im Modemagazin? Auch bei Kindern muss das Körperbewusstsein jeden Tag trainiert werden. Das geht mit Achtsamkeits- und Atemübungen, Bewegung und indem man lernt, auf seinen Körper zu hören.
Ich versuche, meinen mittlerweile zehnjährigen Sohn nicht darüber zu definieren, dass ich ihn süß finde. Oder dass ich ihn nur süß finde, wenn er ‚lieb’ ist oder sich nicht schmutzig gemacht hat. Es ist okay, das mal zu sagen. Aber es teilt die Kinder von Anfang an in Gruppen ein – normschön auf der einen und nicht konform auf der anderen Seite. Die „Süßen“ bekommen eben mehr Komplimente, werden aber auch auf Dauer auf das Äußere reduziert. Und für die anderen, die ‚nicht idealen‘ Kinder gibt es wenig Spielraum. Es ist deshalb wichtig, Kinderkörper nicht zu bewerten, vor allem nicht nach ihrer Form oder Größe oder den Fähigkeiten!
Es ist wichtig, Kindern zu vermitteln, dass sie alle schön sind. Sätze wie ‚Das kannst Du nicht tragen, Du bist zu dick/dünn/klein’ oder was auch immer, sollte man sich bei Kindern sparen. Ein solcher Satz setzt sich im kindlichen Selbstbewusstsein fest. Das Kind verinnerlicht ihn, fühlt sich schnell unzulänglich und fängt an, sich und andere Kinder zu bewerten und ‚komisch‘ zu finden. Und da sind wir Eltern und Bezugspersonen die größten Vorbilder: Wenn zu Hause erzählt wird, dass ‚die Dicken‘ immer die Faulen seien oder ‚die Dünnen‘ immer die Zickigen, dann verinnerlichen Kinder das und fangen an, andere Kinder zu mobben.
Jungs sagt man eher, dass sie stark oder kräftig sind. Mädchen werden noch viel öfter aufs Äußere reduziert. Mädchen müssen mehr in dieses Schönheitsideal passen. Das Schauen von ‚Germany’s Next Topmodel‘ geht ja im Kindergarten schon los, in der Grundschule veranstalten die Mädchen Catwalks auf dem Schulhof, reden von ‚fett sein‘, ‚zu dicken Schenkeln‘ und ‚Diät machen‘. Weil sie ihrem Ideal nacheifern: der weißen, sehr schlanken, makellosen Frau Anfang zwanzig und ihrer Mama, die auch in diesen Vorbildern gefangen ist. Das Schönheitsideal hat sich in den letzten zehn Jahren weltweit so schnell angeglichen wie noch in keinem anderen Jahrzehnt. Seit Social Media und vor allem Instagram vereinheitlichen sich die Schönheitsstandards überall auf der Welt. Aber wollen wir etwa alle gleich aussehen? Und vor allem, können wir das?
Bei Mädchen ist das noch mal sehr viel ausgeprägter als bei Jungs, weil Mädchen stärker vermittelt bekommen, dass sie in dieser Gesellschaft erst angesehen sind, wenn sie sich diesem Ideal anpassen. Ich glaube aber, dass es sich in Zukunft leider auch bei Jungs viel stärker ums Aussehen drehen wird – also müssen wir Eltern und Erziehende bei beiden Geschlechtern sensibel sein, was Komplimente, Bewertungen und Kritik angeht.
„Es gibt nicht das eine schön.“
Passt uns mit unseren Kindern sprechen! Was ist eigentlich schön in unserer Gesellschaft? Wie viel verschiedene Arten von Schön gibt es eigentlich? Dann kann man ihnen erklären: Es gibt nicht dieses eine Schön, sondern so viele wie Menschen auf der Welt. Wichtig ist auch, dass Eltern gute Vorbilder sind. Sie sollten sich selbst nicht ständig dafür kritisieren, wenn sie etwas essen. Wenn wir unseren Kindern ständig sagen: Ich darf nichts essen, weil ich zu dick werde, sprechen und ahmen sie uns nach und fangen selbst an zu denken, dass sie weniger essen müssen. Wenn Mama aus Spaß sagt: ‚Papa mag lieber blonde Frauen‘, dann weint die braunhaarige Tochter in der Kita, weil Papa doch der wichtigste Mensch ist. Auch wenn das für uns nur so ein dahergesagter Satz ist: Kinder verstehen noch keine Ironie oder Spaß. Und man muss sie auch selbst auf ihre Vorurteile hinweisen. Ich trug im Freibad einen Bikini, und mein Sohn sagte: ‚Boah, Mama, Du bist aber nicht schön!‘ Er meinte das, weil ich in seinen Augen dick aussah. Dann hab ich ihm erklärt, dass dick ja nicht gleichbedeutend mit ‚nicht schön‘ ist. Und am Ende hat er gecheckt, was ich meine.
Wenn man als Kind in der Stadt eben überall die ganzen Litfaßsäulen sieht mit ganz, ganz schlanken Leuten, dann guckt man zwangsläufig auf dicke Leute mit einem gewissen Unverständnis. Grundlage in der Vermittlung von Selbstliebe sollte immer die Einzigartigkeit unserer Kinder sein. Wir haben das ja im Laufe unseres Lebens verlernt, dass wir etwas ganz Besonderes sind. Wir alle – und eben nicht nur diese drei bis fünf Prozent der Menschen, die dem gerade gängigen Schönheitsideal entsprechen. Nein, auch die anderen 95 Prozent sind schon etwas ganz Besonderes und einzigartig. Wir müssen unsere Verschiedenheit feiern und gleichzeitig unsere Einzigartigkeit wertschätzen. Lasst uns das unseren Kindern vermitteln!“