Kinder fragen. Und für eine gewisse Zeit hören sie damit auch nicht auf. Einige der schönsten Kinderfragen haben wir hier gesammelt.
Kann man sich Sprache erhüpfen?
Interview: Monika Obrist | Fotos: Daniel Truta, Tang Ming Tung
Wie genau hängt die sprachliche Entwicklung eines Kindes mit Bewegung zusammen?
Lange bevor sie Wörter benutzen, teilen Kinder sich bereits über Gesten, Gebärden, durch ihren Körper mit. Säuglinge drücken zum Beispiel Wohlbefinden aus, indem sie mit den Armen und Beinen strampeln, oder sie signalisieren Abwehr. Die zunehmende Beherrschung des Körpers und der Sprache eröffnet dem Kind den Weg in die Selbstständigkeit. Sprache baut immer auf Handeln auf: Am Anfang steht das körperlich-sinnliche Erkunden einer Sache, dann erst erfolgt die sprachliche Entwicklung. „Ball springt“, sagt das Kind, aber nicht vor, sondern nach der Beschäftigung mit dem Ball.
Ist Bewegung damit besonders in den ersten Jahren wichtig?
Sie ist unverzichtbar. Der Spracherwerb ist eng mit der kognitiven Entwicklung eines Kindes verbunden. Dass ein Ball rund ist, auf dem Boden rollt und hochspringt, wenn man ihn fallen lässt – dieses Wissen hat das Kind aufgrund von Erfahrungen durch Wahrnehmung und Bewegung. Die Bedeutung von „langsam, schnell, hoch, tief, rund“ und so weiter lernt das Kind nur durch Bewegungshandlungen. So werden durch das Handeln gewonnene Erfahrungen in Verbindung mit der Sprache zu Begriffen. Man kann sogar sagen, dass Sprache zuerst ein körperlich motorischer Vorgang ist. Wir wissen zudem aus der Gehirnforschung, dass die Sinnestätigkeit und die körperliche Aktivität des Kindes für die Entwicklung des Gehirns entscheidend sind.
Kann der Zusammenhang zwischen motorischer Entwicklung und sprachlicher Entwicklung eines Kindes nachgewiesen werden?
Studien belegen, dass es einen engen Zusammenhang insbesondere zwischen der feinmotorischen Entwicklung und der sprachlichen Entwicklung eines Kindes gibt. Kinder, die in diesen Untersuchungen eine schlechte Leistung im Bereich der Feinmotorik gezeigt haben, hatten häufiger auch Störungen bei der Aussprache.
Dann sollte Sprachförderung also immer auch Bewegungsförderung sein?
Ich beobachte in den vergangenen Jahren den besorgniserregenden Trend zur isolierten Förderung der sprachlichen Kompetenzen. Viele Materialien auf dem Markt betrachten Sprachförderung sehr isoliert. Dabei muss Sprachförderung nicht losgelöst von den alltäglichen Aktivitäten zum Beispiel im Kindergarten betrachtet werden oder als Zusatzangebot gelten, sondern kann gut in den Alltag eingebunden und mit anderen Bildungsbereichen verknüpft werden. Damit werden die Interessen und Bedürfnisse der Kinder berücksichtigt, denn die haben meist kein Interesse an der Sprache an sich, sondern benutzen sie eher als Mittel zum Zweck. Besondere Chancen bietet dabei die Bewegung.
Was sollte bei einer bewegungsorientierten Sprachförderung im Vordergrund stehen?
Bei einer bewegungsorientierten Sprachförderung von Kindern sollte das Grundanliegen darin bestehen, eine anregungsreiche, zum Handeln auffordernde Umwelt zu schaffen, in der das Kind seinen Körper, Bewegung, Sprache und Stimme gleichermaßen einsetzen darf. Bevorzugtes Mittel ist dabei das Spiel. Die sprachfördernde Wirkung entfaltet sich dabei eher indirekt und beruht insbesondere auf den vielfältigen Sprechanlässen, die sich beim gemeinsamen Spiel ergeben.
Ist unsere Lernkultur, die eher mit der Vorstellung vom Stillsitzen verknüpft ist, falsche Wege gegangen?
Die herkömmliche Schule mit einem traditionellen Sitzunterricht ohne Bewegungspausen ist eine Missachtung des Körpers. Bewegung unterstützt das Lernen, sie aktiviert das körpereigene Belohnungssystem, fördert die Wachheit und Aufmerksamkeit und hat günstige Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. Ein Kind, das sich bewegen durfte, entwickelt dann auch wieder das Bedürfnis nach Ruhe.
Dieser Text erschien erstmals in dem Magazin „Die Südtiroler Frau“. Er wurde fürs kiziPendium redaktionell bearbeitet.