Soll das witzig sein? - Kita kinderzimmer Hamburg

Soll das witzig sein?

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Text: Catharina König | Fotos: Bernd Westphal (Still), People Photography (Porträt)

Meine vierjährige Tochter liebt das Wort „Kacka“ und lacht sich jedes Mal schlapp, wenn sie es sagt. Und sie sagt es oft. Was habe ich falsch gemacht?
Überhaupt nichts. Das ist völlig normal. Wenn auch für Eltern etwas nervig.

„Pups“, „Kacka“, „Pipiwurst“ – warum finden Kinder Fäkalsprache so unfassbar witzig?
Kleinkinder lernen, aufs Töpfchen zu gehen, nachts nicht ins Bett zu machen. Sie lernen, wie ihr Körper funktioniert, ihren Körper zu kontrollieren. Das beschäftigt sie. Und das, was sie beschäftigt, ist hervorragend als Witzmaterial geeignet. Das verarbeiten sie dann in der Sprache, die ihnen zur Verfügung steht.

Gibt es Grenzen bei der Wortwahl? Also, wann sollte ich mein Kind vielleicht darauf hinweisen, dass dieses Wort nicht okay ist?
Das liegt im Auge des Betrachters. In manchen Familien ist das Sch-Wort okay. In anderen Familien darf es nur in äußersten Notfällen verwendet werden, nicht beliebig. Und in einigen Familien ist es ganz verboten. Je mehr Bedeutung Sie einem „verbotenen“ Wort geben, je aufgebrachter Sie als Erwachsener darauf reagieren, desto klarer wird der Tabubruch – und desto witziger finden es die Kinder. „Kacka“ kann man also auch einfach mal ignorieren. Dann wird es schnell uninteressant. Wenn allerdings Worte genutzt werden, um einen anderen Menschen zu verletzen, dann sollte man den Kindern in Ruhe erklären, warum das nicht in Ordnung ist.

Und falls ein Kind über etwas nicht Witziges lacht oder – aus Versehen – jemanden auslacht? Wie mache ich dem Kind dann klar, dass das nicht okay ist, ohne das Kind zu belehren oder in seiner Humorentfaltung einzuschränken?
Nicht witzig gibt es im Prinzip nicht. Was witzig ist, entscheidet jeder Mensch für sich selbst. Dem Kind kann man sagen: „Ich finde das nicht witzig.“ Und beim Auslachen kann man mit den Kindern besprechen, wie sich der Ausgelachte wohl fühlt und dass es ihn traurig macht. Um das richtig nachvollziehen zu können, muss die Empathie schon etwas weiterentwickelt sein. Ein Kind kann auch lernen, dass Humor ein zweischneidiges Schwert ist, dass man damit andere verletzen kann. Nicht alles, was das Kind selbst lustig findet, finden andere lustig. Humor sollte zur Situation und zum Gegenüber passen. Aber das müssen auch manche Erwachsene noch lernen …

Ab wann verstehen Kinder denn Humor?
Kinder verstehen Humor recht früh. Nur vielleicht eben nicht den Erwachsenenhumor. Kinder haben ihren ganz eigenen Humor. Babys lachen, wenn sie gekitzelt werden. Zuerst mögen Kinder Slapstick-Humor und physischen, körperlichen Humor – etwa wenn man eine Socke auf den Kopf setzt oder wenn ein Hund miaut. Also Dinge, die offenkundig erst mal falsch sind. Später spielen Kleinkinder auch gern mit der Sprache, und dann kommen schnell die Tabuwörter ins Spiel. Im Grundschulalter sind Scherzfragen sehr beliebt, zum Beispiel: „Wie heißt das Reh mit Vornamen?“ Wenn die Kinder die Antwort, nämlich Kartoffelpü,darauf wissen, kommen sie als schlau rüber. Kinder können Witze erzählen, lange bevor sie sie wirklich verstehen. Deswegen klappt das auch manchmal mit der Pointe nicht so richtig. Aber es schult das sprachliche Verständnis. Als Letztes wird Ironie verstanden, so etwa mit zehn Jahren. Aber wenn im Umfeld häufig Ironie benutzt wird, dann können Kinder das auch früher schon lernen.

Was zeichnet Kinderhumor aus? Oder, anders gefragt: Was finden Kinder witzig, mal abgesehen von „Kacka“ und „Pups“?
Kinder lachen über alles. Und das ist toll so. Man sollte sich das als Erwachsener manchmal abgucken: Kinder lachen nämlich rund 400-mal pro Tag, Erwachsene nur zwölfmal. Wie der Arzt und Comedian Eckart von Hirschhausen sehr treffend formuliert hat: Selbst der Laie erkennt hier eine Tendenz. Im Prinzip wird über alles gelacht, was unerwartet oder ungewöhnlich ist. Und so eben auch über Dinge, die Erwachsene eher ärgerlich finden – zum Beispiel über die Frühstückscornflakes, die auf dem Fußboden verstreut sind, oder wenn das Kind sich den Pulli an die Beine anstatt über den Kopf zieht, obwohl man es doch eilig hat und zur Kita muss.

Kann man Humor lernen? Und falls ja, wie lernen Kinder Humor? Durch das Vorleben? Lachen Kinder über die gleichen Witze wie die Eltern?
Jeder Mensch hat Humor, jedes Kind schon ganz und gar. Gelernt wird der Humor in dem Sinne nicht, aber er muss sich entwickeln. Und natürlich wird der Humor eines Kindes durch sein Umfeld geprägt. Wenn zu Hause oder in der Kita viel rumgealbert wird und viele Witze erzählt werden, dann färbt das auf das Kind ab. Kinderhumor entwickelt sich am besten in einem sicheren, geschützten Umfeld. Und natürlich gucken sich die Kinder ab, was Erwachsene ihnen vorleben. Deswegen versuchen Kinder ja zum Beispiel auch, Witze zu erzählen, auch wenn die Erwachsenen sie überhaupt nicht lustig finden.

Welche kognitiven Fähigkeiten sind wichtig dafür, Humor zu entwickeln und Späße zu machen?
Es ist nötig, dass man eine andere Sichtweise einnehmen kann. Wenn man Dinge aus einer anderen Perspektive anschaut, sind sie vielleicht witzig. Das können Kinder übrigens sehr gut. Und Vorstellungskraft hilft dabei auch, aber die haben Kinder ja im Allgemeinen ebenfalls. Die Entwicklung und das Verstehen der Wortwitze sind dann abhängig von der sprachlichen und kognitiven Entwicklung des Kindes.

Wie wichtig ist Humor für Kinder?
Humor ist Teil der kognitiven Entwicklung. Und wie bei den Erwachsenen auch kann Humor ein Ventil sein, um Anspannung zu lösen. Es hat also durchaus Sinn, den Humor des Kindes zu fördern und ihm Spielraum zu lassen.

Inwiefern können Witze oder humorvolle Situationen Kindern helfen, gesellschaftliche Regeln zu verstehen?
Manchmal hilft es, eine unangebrachte Situation oder Handlung humorvoll weiterzuspinnen. „Stell Dir mal vor, alle Leute würden immer so schreien wie Du, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen. Stell Dir mal die Schlange an der Supermarktkasse vor, und alle Leute, Erwachsene und Kinder, schreien rum und stampfen mit den Fü.en auf. Was für ein Lärm das wäre! Da würde doch niemand den anderen mehr verstehen …“ Vielleicht lacht das Kind über die absurde Vorstellung. Damit kann man zu verstehen geben, dass das, was das Kind tut, unsinnig ist.

Witz, komm raus, Du bist umzingelt! Dr. Kareen Seidler, leicht humorisiert!

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