Logisch – bei „Mathe im Alltag“ denkt man zuerst an den Supermarkt, den Steuerberater oder die Größentabelle, wenn man sich mal was zum Anziehen im Netz bestellt. Wenn wir uns überlegen, wie viele Eintrittskarten wir für das Kindertheater brauchen, wenn wir Statistiken ausrechnen, den richtigen Bus suchen, ein Angebot checken oder, oder, oder: Mathematik ist wirklich überall, sogar wenn wir einen Kuchen backen (auf das richtige Maß kommt es an!), den Tisch decken (wie viele Gäste erwarten wir zum Essen?) oder wenn wir auf Reisen gehen (die höhere Geometrie beim Kofferpacken!). Ohne es zu merken, ist auch Ihr Schützling im kinderzimmer schon längst ein Mathe-Fuchs: Gemeinsam mit anderen werden Dinge nach Farben und Formen sortiert, es wird abgezählt, welches Kind als nächstes an der Reihe ist oder wie viele Spielzeuge mit nach draußen genommen werden, damit jedes Kind eins bekommt. Wenn man ausprobiert, wie viel Tee in eine Tasse passt, ist das schon eine kleine Rechenaufgabe, die mit der Mengenlehre zu tun hat.
Damit haben wir gerechnet.
Ein Mund, eine Nase, zwei Ohren, zwei Augen. Die ersten Schritte zum Zählen fangen schon im Kleinkindalter an. Und dann wird es immer mehr mit dem Rechnen. Selbst wenn man es nicht merkt! Im kinderzimmer fördern wir die Basiskompetenzen für das Verstehen von Mengen, Größen, Gewicht und Formen auf spielerische Weise. Mathe ist hier und zu Hause auch dort, wo man es gar nicht vermutet hätte!
Wie viele Kinder passen noch auf die Schaukel? Wie viele müssen die nächste Runde abwarten? Wie viele Kinder fehlen im Morgenkreis? Auch bei uns im kinderzimmer haben wir einen spielerischen Ansatz – es geht schließlich nicht darum, den Kindern höhere Algebra bei-zubringen. Wir wollen das Interesse spielerisch fördern, indem wir, wann immer es sich anbietet, die Kinder zum Beobachten auffordern: Wie viele Kastanien habt Ihr gesammelt? Wie viele Teller brauchen wir für das Mittagessen?
Oder auch ganz simple Dinge: Einen Schuh hast Du schon an, fehlt also noch …? So können wir ganz selbstverständlich im Alltag einen Grundstein legen für das spätere schulische Mathematiklernen. Mit einfachen und praktischen Beispielen können Kinder so Mengen- und Größenverhältnisse erfassen, bekommen ein Gefühl für Gewicht und Masse und lernen, Formen zu unterscheiden. Denn alle Kinder zeigen von sich aus schon ein Interesse daran, vergleichen automatisch, wer größer oder kleiner ist, lernen schnell, dass zum Anziehen zwei Socken und zwei Schuhe gehören, aber nur ein Unterhemd, ein Pulli und eine Hose. Viele Kinder werden auch im Freispiel mathematisch aktiv, wenn sie zum Beispiel Kaufmannsladen spielen und zwei Bananen fordern, das Gegenüber aber antwortet, es sei nur eine da – und auch nur diese herausgibt.
Oft kann man beobachten, dass Kinder ganz von sich aus Gegenstände nach Farben und Formen sortieren, der Länge nach aneinanderreihen und Vergleiche ziehen. Diese Basiskompetenzen zu fördern und mit weiteren Anregungen anzureichern ist unser Ansatz im kinderzimmer.
Die Schüssel.
Ist sie voll, halb leer oder leer? Und wenn man zwei halbe Orangen hat, ergibt das eine ganze. Wenn ich zwei halb volle Milchgläser habe und die zusammenschütte, habe ich ein volles Glas. Durch diese Vergleiche lernen Kinder, Mengen einzuschätzen und korrekt zu bezeichnen. Auch wenn sie sich beim Essen auftun. Außerdem bekommen Kinder eine erste Idee davon, was etwas „Halbes“ ist und wie zwei davon ein „Ganzes“ ergeben – und dass immer weniger Milch ins Glas passt, als man denkt …
Kinder zählen und den Tisch decken.
Der Morgenkreis: Welche Kinder sind da, und wie viele sind wir heute? Die Kinder lernen abzuzählen und erfassen erste Mengen. Wenn siebzehn Kinder da sind, wer fehlt und wie viele? Beim Mittagessen wird dann der Tisch gedeckt. Wenn heute siebzehn Kinder da sind, wie viele Teller brauchen wir dann? Wie viel Besteck und wie viele Becher? In alltäglichen Beispielen lernen die Kinder, logisch zu schlussfolgern, indem sie etwas Gezähltes in eine praktische Tätigkeit umsetzen, wie etwa den Tisch mit ausreichend Tellern für jedes Kind zu decken.
Verteilen.
Wenn wir Geburtstag feiern, darf das Geburtstagskind kleine Mitbringsel und seinen Kuchen an die anderen Kinder verteilen. Hier lernen die Kinder, abzuzählen und – gemäß dem Motto „Für jeden eins“ – gerecht zu verteilen.
Rund ums Essen.
Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen! Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen: Eier und Schmalz, Zucker und Salz, Milch und Mehl, Safran macht den Kuchen gehl. Was brauchen wir für unseren Kuchen und vor allem: wie viel von jeder Zutat? Die Kinder lernen zu klassifizieren und zu unterscheiden. Mehl ist etwas anderes als Zucker, und vom Salz brauchen wir nicht viel, wir zählen die Eier und messen Zutaten ab. Beim Kochen oder Backen bewusst Zutaten zu besprechen, zu benennen und abzumessen hilft, Gewicht und Mengen einzuschätzen. Auch beim Einkaufen trainieren wir diese Fähigkeiten. Bei dieser alltäglichen Übung – schließlich machen das alle regelmäßig – lernen die Kinder gleich eine ganze Menge auf einmal. Wie viel Reis brauchen wir, und in welchem Regal steht der? Welchen anderen Lebensmitteln wird er im Supermarkt zugeordnet? Wie viel kostet das, was wir im Einkaufswagen haben?
Wie lange noch …?
Zum Zähneputzen läuft die Sanduhr mit. Zwei Minuten Zähneputzen sind angesagt. Hier geht es darum, die vorgegebene Zeit auch einzuhalten und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie lang (oder auch kurz) zwei Minuten sein können!
Wochentage und Kalender.
Welchen Tag haben wir heute, welcher Tag ist morgen, und wie oft musst Du noch schlafen bis zu Deinem Geburtstag? Haben wir schon Herbst, und wann fängt endlich die Weihnachtszeit an? Ein Kalender mit Einsteckkärtchen und das Jahreszeitenlied helfen den Kindern, sich zu orientieren und ein Zeitgefühl zu entwickeln. In der Adventszeit darf am Adventskalender an jedem Tag ein Türchen geöffnet werden. Durch das Runterzählen bekommen die Kinder automatisch ein Gefühl dafür, wie lange die Zeit bis Weihnachten noch ist, dass mit jedem Türchen ein Tag vergangen ist und es somit immer weniger Türchen und Tage bis Heiligabend sind.
Über, unter, vor, zwischen, rechts & links.
Wimmelbücher bieten eine tolle Gelegenheit, Gegenstände in eine räumliche Beziehung zueinander zu setzen. Was ist oben, was ist unten? Der Hund läuft über die Wiese hinter dem Ball her. Zwischen zwei Wasserrosen sitzt ein Frosch. Die Maus sitzt unter dem Baum, links daneben steht ein Sonnenschirm, und darunter liegt jemand. Und ganz weit oben, am Himmel, da sind die Wolken und ein Vogel.
Unterwegs.
Bei einem Spaziergang gibt es eine Menge zu entdecken. Ist das eine Eichel oder eine Kastanie? Wie viele Kastanien hast Du schon gesammelt, und sind das mehr oder weniger als die Eicheln? Ist das Blatt herzförmig oder rund, ist es am Rand gezackt oder eher gewellt? Und welche Form hat das Straßenschild da vorn? Ist es ein Dreieck, ist es rund oder sogar ganz anders? Später können die gesammelten Fundstücke von den Kindern sortiert werden.
Im Spiegel.
Kinder dürfen sich bei der Körperpflege – beim Zähneputzen, Gesichtwaschen und Haarebürsten – gern im Spiegel betrachten. Dazu stellen wir manchmal Fragen: Was siehst Du, wenn Du in den Spiegel guckst? Wie viele Zähne hast Du da vorne? Und was machst Du gerade? Mit welcher Hand? Wo ist die Nase, und wie viele Augen hast Du? Schwierig ist dabei oft die Rechts-links-Koordination der Hände im Gesicht. Durch die spiegelverkehrte Ansicht bekommen die Kinder eine neue Dimension und lernen zu verstehen, was der Unterschied ist. Es macht ihnen Spaß, sich dabei zuzuschauen, und motiviert sie.
Aufräumen!
Klar, nicht alle Kinder mögen aufräumen. Aber spielerisch geht das meist ganz einfach: Springseile in einen Korb, Bauklötze in einen anderen. Das Duplo gehört in die Kiste, die Bücher kommen ins Regal. Also: Was gehört wozu? Hier können die Kinder sogar noch weiter unterscheiden und differenzieren lernen: Die großen Bücher müssen in ein anderes Regal als kleinere, weil sie mehr Platz brauchen. Spielzeugautos können von Klein nach Groß aufgestellt werden. Durch das Sortieren und Zuordnen, Zählen und Abschätzen können die Kinder ihre Lebenswelt erschließen und lernen, Dinge in ein Verhältnis zu setzen.
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Der Franzose Mickaël Launay liebt die von vielen verhasste Wissenschaft heiß und innig und möchte, dass es anderen genauso geht. Deshalb betreibt er einen YouTube-Kanal und hat ein Buch geschrieben, das die Geschichte der Mathematik für uns alle erzählt – und schmackhaft macht.