Wir finden: Zahlen sind spannend. Denn hinter (fast) jeder verbirgt sich eine Geschichte. Zeit, sie zu erzählen.
Kaufst Du mir das?
Text: Janina Jetten
„Hast Du eigentlich eine Ahnung, wie teuer das war?“ Wenn unser noch grobmotorisches Mini-Me mal wieder zugeschlagen hat – das Handydisplay in tausend Einzelteile hat zerspringen lassen oder auch nur die Seiten des neuen Kinderbuchs eingerissen –, rutscht uns dieser Satz gern einmal raus. Und irgendwie passt er ja tatsächlich. Manchmal könnte man auch Geldscheine aus dem Fenster schmeißen, das käme dem Gegenständeverschleiß eines Kleinkinds als Sinnbild recht nahe. Das Ding ist: Unser Nachwuchs hat keine Ahnung. Keine Ahnung, wie teuer etwas war. Für ein Kind ist Geld zunächst ein abstrakter Begriff außerhalb des Fassungsvermögens, genauso wie „Zeit“. Das Kind begreift nur eines: Mama und Papa sind sauer.
Doch das ändert sich irgendwann: Spätestens mit drei, vier Jahren interessieren sich Kinder für das Thema Geld, weil sie merken, dass es die Erwachsenen schwer beschäftigt. Und: weil man dafür Dinge bekommt. Kinder imitieren die Großen, indem sie im Kaufmannslädchen fleißig Geld kassieren. Die Kasse ist dabei das wichtigste Utensil – und auf den Fünfeuroschein werden mal eben 500 Euro rausgegeben … Sie bekommen mit, dass Pippi Langstrumpf nicht nur megastark, sondern auch superreich ist. Ein Sparschwein bringt Spaß, wenn Oma und Opa wieder spendabel sind und die Münzen im Schweinchen klimpernd auf den Boden fallen. Der Frau im Drogeriemarkt den Schein zu reichen ist auch toll. Stolz nehmen die Kleinen das Wechselgeld entgegen. Und zum Weltspartag, der jedes Jahr am letzten Werktag vor dem 31. Oktober gefeiert wird, werden die Kinder belohnt, wenn Geld aufs Konto eingezahlt wird.
Bezahlvorgänge werfen aber auch einige Fragen für Kinder auf: Warum sind der Glubschi für zehn Euro oder der ferngesteuerte Monstertruck für dreißig Euro zu teuer, wenn die Eltern, ohne mit der Wimper zu zucken, im Lebensmittelgeschäft viel höhere Summen ausgeben? Warum bekomme ich an dem einen Tag ein Pixibuch – aber beim nächsten Mal nicht? Und dann noch all die Verlockungen überall. Spielzeug gibt es mittlerweile in fast jedem größeren Supermarkt, und wer kennt ihn nicht, den Satz: „Mama, Papa, kaufst Du mir das?“ Was sich fast ein bisschen habgierig anhört, bedeutet aber schlichtweg nur, dass Kinder den Preis einer Ware und deren Gegenwert einfach noch nicht richtig einschätzen können.
Finanzielle Kompetenz zu erlernen braucht Zeit. Es ist vergleichbar mit dem Erlernen eines Instruments. Ist es innerhalb eines Monats möglich? Eher nicht. Es braucht Übung, Geduld und Durchhaltevermögen, bis das Spiel angenehm klingt. Übers Geld zu sprechen sollte daher schon von klein auf für Eltern kein Tabu sein – im Gegenteil. „Nutzen Sie ruhig alle alltäglichen Anlässe wie die Supermarktkasse, immer wenn das Thema eben aufkommt“, rät Ursula Winklhofer, wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München, auf Eltern-und-familie.de. Es empfehlen sich auch schon kleinere Spiele: „Für den Anfang reicht ein einfaches Bild, etwa die Lohntüte – die es früher ja tatsächlich gab –, in die jeden Monat die Einnahmen wandern. Und aus der alle Ausgaben bezahlt werden müssen“, so Winklhofer. Dafür kann man Spielgeld aus dem Kaufmannsladen nehmen: Wenn Mama und Papa zusammen vierzig Euro verdienen, gehen davon zehn für die Miete weg, fünf fürs Essen, zwei fürs Licht et cetera. Oder man baut kleine Geldtürmchen aus Ein-, Zwei- und Zehn-Cent-Münzen und zeigt, dass jeder Turm so viel wert ist wie ein Euro. Auch eine lehrreiche Aufgabe: dem Kind fünfzig Cent in die Hand drücken und gemeinsam gucken, was man dafür im Supermarkt bekommt. Reicht es für das Ü-Ei? Oder für eine Banane?
Ramsch? Lutscher? Na gut …
„Der Umgang mit Geld ist eine zentrale Daseinskompetenz, die Kinder unbedingt lernen müssen“, sagt Ursula Winklhofer vom DJI. Je früher Kinder Erfahrungen sammeln, desto positiver und mutiger gehen sie mit Geld um und denken strategischer – ihre Sicht auf Geld wird ganzheitlich. Passiert dies im Laufe des Kinderlebens nicht, kann das fatale Folgen haben: 25 Prozent aller Schuldner in Deutschland sind jünger als dreißig Jahre, fast jeder Dritte der 14- bis 24-Jährigen hat schon einmal Schulden gemacht. Pädagogen plädieren dafür, Kindern möglichst früh ein Taschengeld auszuzahlen – gern schon vor der Einschulung. Am Anfang reichen fünfzig Cent pro Woche.
Wichtig dabei: „Das Kind sollte ganz allein über sein Taschengeld verfügen können. Das heißt, ich habe als Mutter oder Vater kein Mitspracherecht mehr über die Verwendung des Geldes“, so Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge in einem Eltern.de-Video. Und wenn sich das Kind davon aus Elternsicht den letzten Ramsch kauft oder einen Lutscher nach dem nächsten – das müssen Sie ertragen. Vielleicht ärgert sich das Kind über Fehlkäufe und lernt daraus. Oder spürt schon früh, welche Rolle Geld im Leben spielt. Denn nur wer selbst erfahren hat, wie schnell es einem zwischen den Fingern zerrinnen kann oder wie schön es ist, sich etwas vom eigenen Ersparten zu kaufen, wird auch später verantwortungsvoll mit Geld umgehen können.
Kizi-Tipp
Umgang mit dem ersten Taschengeld:
• Überwachen Sie anfangs die Verwahrung des Gelds. Jüngere Kinder haben noch kein Bewusstsein des Geldwerts, und so verschwinden die Münzen schnell mal in den Tiefen der Spielzeugkiste.
• Damit Ihr Kind Zuverlässigkeit lernt, sollten Sie das Taschengeld immer pünktlich am gleichen Tag auszahlen.
• Das Taschengeld sollte auch tatsächlich immer ausgezahlt werden. Selbst wenn sich Ihr Kind Ihrer Meinung nach mal „nicht benommen hat“ – eine Kürzung als Strafe ist nicht angemessen.
• Wenn das Geld ausgegeben ist: bitte nichts nachschießen. Nur so lernt Ihr Kind, dass Geld nicht unbegrenzt zur Verfügung steht.
• Vermeiden Sie, Wertungen abzugeben über das, was das Kind gekauft hat. Ihr Kind soll für sich entscheiden und nicht darauf schielen, was Ihnen gefallen würde.
• Dem Kind abseits des Taschengelds jeden Wunsch zu erfüllen ist kontraproduktiv. Wieso sollte das Kind sich selbst noch Geld zurücklegen? Das dürfte sogar Oma und Opa einleuchten …
• Drängen Sie Ihr Kind nicht zur Sparsamkeit. Das muss das Kind selbst lernen.
• Fungieren Sie als Vorbild. Letztlich lernen Kinder von unserem Verhalten, also wie wir unser Geld ausgeben.
Unsere Autorin wäre richtig gut im Sparen – kämen ihr nicht immer wieder schöne Dinge in die Quere. Bei ihrer Tochter Milena klappt das mit dem Sparen insofern besser, als dass die Sechsjährige ihre fünfzig Cent in der Woche immer unauffindbar gut versteckt. Wenn sie sich doch anfinden, investiert sie in Aufkleber. Irgendwie kommt der Mutter das Argument „Davon hast Du doch schon so viele“ extrem bekannt vor …