Was lehrt uns ein Wunderkind? - Kita kinderzimmer Hamburg

Was lehrt uns ein Wunderkind?

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Interview: Sabine Cole | Foto: Thomas Entzeroth

Als Daniel Hope im Alter von vier Jahren Geiger werden wollte, sagte sein Ziehgroßvater, der legendäre Geiger Yehudi Menuhin: „Der Arme.“ Heute ist Daniel Hope längst selbst ein Weltstar. Wir wollen von ihm wissen, wie es ist, ein „Wunderkind“ zu sein und von einem ehemaligen „Wunderkind“ unterrichtet zu werden, und wie er heute mit seinem eigenen Sohn umgeht. Musikalisch gesehen.

An alle Wundereltern

In den vergangenen zwanzig Jahren ist Daniel Hope mit vielen international führenden Orchestern und Dirigenten aufgetreten. Als Solist in Konzerten und Recitals ist er ebenso gefragt wie als Kammermusiker. 2019 tritt er das neu geschaffene Amt des Künstlerischen Leiters der Dresdner Frauenkirche an, die für ihn nicht nur ein Ort des Gottesdiensts, sondern auch ein Symbol für Frieden, Versöhnung und Toleranz ist.

Kurz vor Weihnachten, das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu. Bis auf Heiligabend steht der Familienvater und Violinist Daniel Hope jeden Abend auf der großen Bühne irgendeines weltberühmten Konzertsaals, heute ist es die Hamburger Elbphilharmonie. Trotzdem nimmt sich Daniel Hope Zeit für ein Interview, denn Kinder liegen dem Weltklasse-Geiger ganz besonders am Herzen. Und zwar alle Kinder. Nicht nur die musikalischen …

Daniel Hope wurde 1973 im südafrikanischen Durban geboren. Als er sechs Monate alt war, übersiedelte die Familie nach Europa. Mit vier lernte Daniel Hope das Violinspiel, mit zehn ging er ans Londoner Royal College of Music. Yehudi Menuhin, dem er mit zwei Jahren „in den Schoß fiel“, widmete er 2016 das Album „Daniel Hope – My Tribute to Yehudi Menuhin“.

Sie haben mit vier angefangen, Violine zu spielen. Können Sie sich noch daran erinnern, wie dieser Wunsch zustande kam?
Meine Mutter arbeitete als Sekretärin und später als Managerin für Yehudi Menuhin. Als ich klein war, nahm sie mich oft mit, denn es gab noch keine Kitas. Wann immer ich zu ihm kam, war das Haus erfüllt mit Musik. Menuhin sagte, Geige zu spielen sei so natürlich für ihn wie für einen Vogel das Fliegen. Nie würde ein Vogel morgens aufwachen und auf einmal keine Lust mehr verspüren zu fliegen. Es war also irgendwie naheliegend, dass ich selbst den Wunsch hatte, Violine spielen zu lernen.

Mögen Sie das Wort „Wunderkind“? Und wann ist ein Kind ein Wunderkind?
Ich mag das Wort nicht besonders, vor allem nicht, wie es benutzt wird. Jedes Kind ist für mich ein Wunder, denn jedes Kind ist auf seine Art einzigartig. Aber wenn Sie das musikalische Wunderkind meinen – das gibt es natürlich. Es gibt Genie-Wunderkinder wie zum Beispiel Mozart. Und es gibt „gemachte“, die von ehrgeizigen Eltern dahin getrieben werden. Wenn man natürliche, also fantastisch begabte Wunderkinder trifft, kann man sich darüber nur freuen, aber das liegt nicht in der eigenen Hand. Ich bin in Kontakt mit einer sehr jungen und sehr begabten Geigerin. Wichtig finde ich es, dass sie sich nicht nur auf die Musik konzentriert, sondern auch den Kopf mit Bildern anfüllt, dass sie liest und hinausgeht in die Natur. Und auch Sport zu treiben, am besten im Team, ist wichtig.

Ihr Lehrer, der legendäre Geiger Yehudi Menuhin, empfand es durchaus als Bürde, ein Wunderkind gewesen zu sein. Wie ging es Ihnen damit?
Ich war kein wirkliches Wunderkind. Ich durfte sehr früh auf sehr hohem Niveau Musik machen, und meine Eltern haben dies auch gefördert. Aber ich war immer sehr vielfältig interessiert. Auch heute: Ich schreibe Bücher, ich habe eine eigene Radiosendung, und es ist nicht alles auf die Musik fixiert.

Wie haben Sie Menuhin als Kind erlebt? War er ein strenger Lehrer?
Er war ein fantastischer Lehrer. Er war sehr gründlich, aber seine Kritik war immer konstruktiv. Gerade als ich klein war, hat er nie versucht, einen Willen durchzusetzen, sondern er hat mir Alternativen aufgezeigt. Als Knirps konnte ich „Yehudi“ nicht aussprechen. Ich habe es nur mit Mühe geschafft, „Hudini“ zu sagen. Daraus wurde sein Spitzname – sein ganzes Leben lang habe ich ihn fast immer „Hudini“ genannt. Das fand er so köstlich, dass er mehrere Briefe mit „Hudini“ unterschrieben hat. Ab und zu unterzeichnete er auch als „der alte Fiedler“. Und er hat sich oft als mein „musikalischer Großvater“ bezeichnet. Das sind natürlich sehr schöne und inspirierende Erinnerungen.

Was macht einen guten Musikpädagogen aus?
Dass er selbst die Musik liebt und versteht und ein Talent hat, dies zu vermitteln.

Waren Sie ein begeisterter Schüler?
Am Anfang war ich sehr enthusiastisch. Es vergehen allerdings Monate, bis man die ersten sauberen Töne auf einer Geige spielen kann, es muss also meistens grauenhaft geklungen haben. Auch bei mir. Meine erste Lehrerin wollte mich eigentlich gar nicht unterrichten, weil ich noch zu jung war. Aber als ich bei ihr die tollen kleinen Geigen an der Wand sah, bekam ich so einen schlimmen Wutanfall, dass sie mich nur beruhigen konnte, indem sie mir ein Instrument in die Hand gab. Und dann hab ich einfach drauflosgespielt.

Wie erkennen Eltern ein herausragendes musikalisches Talent?
Man merkt einfach, wenn ein Kind spielend Leistungen bringt, die anderen schwerfallen. Ob es herausragend ist, kann man natürlich hören, wenn man selbst Musiker ist. Ansonsten gibt es fast immer jemanden im Bekanntenkreis, den man um Rat bitten kann, dem ein Weg einfällt, ein solches Kind zu fördern. Ein sehr begabtes Kind, das Musik machen will, wird immer seinen Weg finden. Man spürt ja auch als Elternteil, ob das Kind es ernst meint mit der Musik oder alle zwei Wochen das Interesse wechselt.

Muss Musik immer Spaß machen? Wo hört Fördern auf und fängt Fordern an?
Musik sollte Spaß machen, vor allem, wenn die Kinder klein sind. Am besten, man lernt die Ehrfurcht spielerisch. Ich hatte das große Glück, als Kind zu einer bekannten Geigenlehrerin zu kommen, die uns Kinder, während wir Geige spielten, im Kreis gehen ließ. Dies hat die Koordination gefördert, die Haltung, einfach alles. Und es war nicht so verkrampft, wie immer an seinem Platz zu stehen, man hat die Natürlichkeit im Spiel gelernt.

Kann man Musikalität fördern?
Sicher. Wenn man schon in der Schwangerschaft Musik hört, wirkt sich das auf den Embryo generell vorteilhaft aus. Wir wissen heute, dass Musik Gehirnareale im positiven Sinne verändert – somit kann man durch Musik diese Areale auch stimulieren. Ob ein Kind sich aber für ein Instrument entscheidet oder lieber Fußballer oder Maler oder Pilot werden will, das ist individuell. Und da gibt es auch kein „gut“ oder „besser“.

Ist Ihr Sohn musikalisch, und wie fördern Sie ihn?
Meine Frau und ich haben 2018 einen zweiten Sohn bekommen. Der ist natürlich zu klein. Aber mein älterer Sohn liebt Musik. Er sitzt schon ganz still in den Konzerten, liebt aber ebenfalls Theater und andere Stile, wie den des Gitarristen Eric Clapton. Wie ich zuvor schon sagte: Er wird allein seinen Weg finden. Er macht Musik, aber auch Kampfsport für Kinder, und er liebt es zu malen. Welches Talent, welches „Wunder“ sich durchsetzt, das entscheiden nicht wir, das ist bereits in den Kindern angelegt.