Weihnachten
Für Kinder bedeutet es meist: Geschenke! Im christlichen Kulturraum prägt der Feiertag in den Wochen vor dem 25. Dezember die Städte – Weihnachtsmärkte überall. Auch in der Kita wird zur Weihnachtszeit gebastelt, gebacken und gesungen.
Text: Christian Heinrich
Weihnachten, Ostern, Pfingsten? Klar, das muss gefeiert werden. Aber auch Ramadan, das Diwali-Fest und Halloween sind wichtig. Und warum bekommen eigentlich manche Kinder ihre Geschenke erst am 7. Januar? Von gelebter Religionsvielfalt im kinderzimmer profitieren alle.
Adventszeit, heute basteln die Kinder in der Kita einen Stern – aber nicht alle Kinder. Elias, dessen Eltern Juden sind, fasst die Bastelsachen nicht an. „Der Stern ist doch christlich, es geht ja um die Geburt von Jesus. Ich bin kein Christ. Darf ich da denn mitmachen?“ Natürlich, sagt die Erzieherin. Elias ist noch unschlüssig, er fragt sich, ob seine Mama dann nicht böse wird. Die Erzieherin beruhigt ihn: „Bestimmt nicht. Aber wir können sie ja auch kurz anrufen und fragen, wenn Du magst.“
Es ist normal, verschieden zu sein. Auch und besonders in religiöser Hinsicht. Aber das gilt nicht nur für Religionen, es bezieht sich ebenso auf Essgewohnheiten, kulturelle Bräuche, Traditionen.
In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist festgeschrieben, dass diese Verschiedenheit im Geist der Toleranz und der Begegnung erlebt werden sollte. Die Konvention besagt in Artikel 29, Absatz 1d, dass die Bildung darauf gerichtet sein muss, das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen vorzubereiten.
Der Ort für das Erleben der Verschiedenheit – der Vielfalt! – ist in den ersten Lebensjahren vor allem die Kita. Da frühstückt ein Junge, der noch niemals gehört hat von dem Konzept, dass es so etwas wie einen Gott gebe, neben einem Mädchen, das vor jedem Mahl ein kleines Gebet spricht. Für beide ist es eine Chance, die Vielfalt zu erleben und kennenzulernen. Wohl nirgendwo anders wird Ihr Kind mit so vielen verschiedenen Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Ursprünge so nah und unvoreingenommen in Kontakt kommen.
Dabei muss Religion nicht einmal groß thematisiert werden von den Erziehern. Für das eine Kind ist Gott Alltag, für das andere eine Märchengeschichte. Entscheidend ist, dass auf die aufkommenden Fragen Ihres Kindes eingegangen wird und eine Offenheit und Toleranz gegenüber den verschiedenen Konzepten im Vordergrund steht. Im kinderzimmer feiern wir nicht alle Feste aller Religionen. Wir orientieren uns grob an den Feiertagen in Deutschland, entsprechend spielen Ostern und Weihnachten auch im Kita-Alltag eine Rolle. Aber wenn ein Kind von zu Hause erzählt, dass gerade Ramadan ist, Fastenzeit, und die Eltern für mehrere Wochen nur dann essen, wenn es dunkel ist, laden wir das Kind dazu ein, allen mehr davon zu erzählen. Denn der Kontakt zu einer anderen Religion ist kein Tabu, sondern eine Entdeckungsreise. Diese Vorstellung versuchen wir in den Kindern zu verankern.
Das Konzept lässt sich auch als das Modell einer Art Hausgemeinschaft begreifen: Es gibt verschiedene Wohnungen, die für die verschiedenen Religionen stehen, und jedes Kind ist in der Regel nur in einer Wohnung zu Hause. Man pflegt aber einen freundschaftlichen Kontakt mit den Nachbarn. Gegenseitig können sich die Bewohner einladen, und im Sinne der Gastfreundschaft wird man Rücksicht nehmen aufeinander, etwa auf Essgewohnheiten. In dem „Haus“ gibt es keinen Bestimmer, keinen Hausherrn, der definiert, was im Glauben richtig oder falsch ist. Die Erzieher sorgen vor allem dafür, dass die Türen in dem Haus nicht verschlossen sind, und für gegenseitigen Respekt.
Dabei ist eine besondere Sensibilität gefragt. Unsere Erzieherinnen versuchen bei der sogenannten interreligiösen Erziehung vor allem, die religiöse Identität – falls vorhanden – Ihres Kindes und der Familie in den Mittelpunkt zu stellen. Denn sie ist die Basis, von der aus Ihr Kind Neues entdecken und eben auch auf andere zugehen und neue Perspektiven einnehmen kann. In der Praxis bedeutet das, dass man etwa einem getauften Kind einen arabischen Feiertag erklärt, indem man ihn mit Weihnachten oder Ostern vergleicht. Zweitens versuchen wir, positiv auf Unterschiede hinzuweisen; es geht bei uns darum, Vielfalt zu entdecken und als etwas Bereicherndes wahrzunehmen. Doch wir greifen auch ein, wenn etwas in eine falsche Richtung läuft: Unsere Erzieher versuchen, Einseitigkeiten zu erkennen und Benachteiligungen zur Sprache zu bringen und zu beseitigen. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Kind wegen seines Glaubens in der Gruppe außen vor ist oder wenn bestimmte religiöse Regeln für ein Kind oder die Gruppe zum Problem werden.